Frauke Wilken:
Auf leisen Sohlen

 Ausstellung bis 19. Januar 2025

„Frauke Wilken schafft mit ihren Skulpturen und Zeichnungen, die gleichermaßen kraftvoll wie fragil sind, eine eigene Welt der ständigen Metamorphose, des Fließens und Umkreisens, in der man sich nie mit letzter Sicherheit orientieren kann. Ihr geht es um eine Verständigung des Menschen mit sich selbst und mit der Natur, um die Notwendigkeit, die Natur in sich selbst zu erkennen. Allen Arbeiten ist gemeinsam, dass sie ein tastendes Sehen, ein dem strukturell ordnendem Sehen komplementäres schweifendes, umkreisendes, fühlendes Sehen erfordern. Bei aller Monumentalität vor allem in den installativen, raumbezogenen Arbeiten ist ihnen ein spielerisch leichter, manchmal ironischer, unaufdringlicher Klang zu eigen, der ihnen die Schwere und Mächtigkeit gleich wieder zu entziehen vermag. Frauke Wilken gelingt es auf eine unangestrengte Weise, Leiblichkeit als eine fundamentale Erfahrung zu thematisieren, sich einer schleichenden Entleerung der Welt von allem, was den Menschen als fühlendes Subjekt betreffen kann, entgegenzustellen. Unaufdringlich und deshalb umso größere Wirkung entfaltend.“

Sepp Hiekisch-Picard
(aus Katalog „under cover“, 2015, Kunstmuseum Bochum) 

Eröffnung:
Do. 31. Okt. 2024, 18 Uhr

Einführung  Dr. Olaf Mückain,
wissenschaftlicher Leiter der Museen der Stadt Worms

Fotos Ausstellungseröffnung © Gahmig

„Auf leisen Sohlen“ hat die Kölner Künstlerin Frauke Wilken den Kunstverein betreten in ihrer ersten Ausstellung in Speyer.Knapp 30 Arbeiten hat Wilken aus Köln mitgebracht. Dazu gehören große und mittlere Formate und Objekte, die ausschließlich aus Gewebe entstanden sind. Bilder, die bis zu neun Meter messen, hat sie vorsichtshalber zu Hause gelassen, würden sie doch den räumlichen Rahmen des Kunstvereins sprengen.

Das Bedürfnis der 59-Jährigen mit Wurzeln in Norddeutschland, die Kraft hinter der Oberfläche ihrer Kunst aus dem Bild oder der Skulptur heraus in den Raum zu leiten, wirkt auf den Betrachter. Der Blick weitet sich, tastet nach Einordnung und findet sie beispielsweise in zwei Bildern, mit denen Wilken „Große Turbulenzen“ erzeugt. Ungebändigtes Haar, sein Herausfließen, ordnen und flechten lässt Rückschlüsse auf Prägung und Herkunft der Trägerinnen zu. „Haare sind unsere zweite Hülle, Kleidung unsere zweite Haut“, erklärt Wilken ihren Zugang zu menschlichen Details.

Kraftvoll und gleichermaßen fragil fließt eindrucksvolle Kunst aus den Arbeiten der Künstlerin. Sie führt den Betrachter zu ihren Zeichen der Kultur, des Alters oder der Schicht, aus der ihre Bildausschnitte barocker Perücken oder der zugenähte „Scheitel“ mit herausquellenden Zöpfen entstanden sind. Nur ihr „Poser“ benötigt keine Haare, nicht einmal einen Kopf. Ihm genügen Muskeln und die Kraft, die sein Korpus aussendet.

Humorvoll, ironisch und ganz ernst begegnen Wilkens Arbeiten dem Betrachter. Ihren Teddybär aus mit Acryl befestigtem Webpelz will gestreichelt, geliebt werden lässt, was ihm unmittelbar gelingt, wenn er von allen Seiten umringt und dabei immer besser verstanden wird. „Der Gehörnte“ hingegen klebt gleich einem unglücklichen Hähnchen an der Wand.

Wilken präsentiert Arbeiten, die sie in den Nuller-Jahren bis vor wenigen Wochen geschaffen hat. „Ich will in Speyer eine gute Mischung ausstellen“, betont sie. Neu sind blaue Vertiefungen, die von Erdfarben aufgefangen werden. „Rendezvous“ heißt die monumentale Rauminstallation, die auf den ersten Blick vom schönen Schein erzählt. Bei näherem Hinsehen entdeckt der Betrachter indes im Geklebten und Genähten das Kaputte an der Szene, in der sich Menschen im Eigentlichen einander zuwenden. Der Kern ihrer Skulpturen besteht aus Holz, Styropor. Die Materialien umgeben Gewebe, die die Arbeiten zum Glänzen bringen, sie vervollständigen, ihnen die Wertigkeit verleihen, die Wilkens Kunst ausmacht. Eine Bildhauerin sei sie keinesfalls, weist die Künstlerin eventuelle Rückschlüsse dieser Art zurück. „Ich kann nichts wegnehmen, muss vielmehr stets addieren“, erklärt sie ihre Auseinandersetzung mit Körper und Raum.

pastedGraphic_1.pngWilkens Studium Freier Kunst in Braunschweig und Barcelona findet sich in ihrer floralen Serie wieder, die Leiblichkeit auf der Grundlage von Rosen thematisiert. In ihrer Malerei verrate sie mehr vom großen Geheimnis menschlicher Abgründe und Herkünfte als mit der Skulptur, ist die Künstlerin überzeugt. Dennoch können auch in den Bildern sämtliche Assoziationen in jedem Moment der Betrachtung kippen, sich verändern, erneuern, auf leisen Sohlen grenzenlos fließen.

Ellen Kornelius-Bruder in der Rheinpfalz am 25.10.2025

Fotos @ Lauter

Rückblick letzte Ausstellung:

KUNST

trotz(t) AUSGRENZUNG

Die Ausstellung ist vom 15. September bis einschließlich 20. Oktober donnerstags bis sonntags und an Feiertagen jeweils von 11 bis 18 Uhr geöffnet.

Der Eintritt ist frei, eine Spende für die Arbeit des Diakonischen Werks Pfalz ist willkommen.

Die Ausstellung wird von einem Begleitprogramm umrahmt, das zahlreiche Speyerer Akteure verantworten und das in einem separaten Programmheft veröffentlicht wird.

Ein ungewöhnliches Kunstprojekt macht Station in Speyer und setzt Zeichen für die Förderung demokratischer Kultur, für Vielfalt und die Überwindung von Grenzen.

Die Wanderausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung” ist Teil eines Projekts zur Demokratieförderung der Diakonie Deutschland und erteilt eine künstlerische Absage an Fremdenfeindlichkeit und Rechtspopulismus, an Ideologien von angeblicher Ungleichheit und Ungleichwertigkeit von Menschen.

Über 50 Künstlerinnen und Künstler unterschiedlicher sozialer und kultureller Herkunft suchen mit vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen und Techniken die Auseinandersetzung mit den Gesellschaftsphänomenen Ausgrenzung und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Ihre Werke fordern die Betrachtenden dazu auf, sich mit der Gestaltung einer offenen, vielfältigen und inklusiven Gesellschaft auseinanderzusetzen, in der ganz verschiedene Menschen leben – Menschen mit Migrationserfahrungen ebenso wie von Armut oder Wohnungslosigkeit Betroffene, Menschen mit Beeinträchtigungen oder Langzeitarbeitslose sowie queere Menschen.

„Wir laden Besucherinnen und Besucher ein, sich für die Sprache der Kunst werke zu öffnen und neue Blickwinkel auf unsere Gesellschaft einzunehmen. Daraus entstehen im besten Fall neue Gedanken und konstruktive Gespräche darüber, wie wir in einer pluralistischen Welt solidarisch miteinander leben können. Diesen gesellschaftlichen Diskurs möchte das Diakonische Werk Pfalz mit der Ausstellung fördern und aktiv einen Beitrag zur Prävention von rechtspopulistischen Positionen leisten”,
sagt Albrecht Bähr, Landespfarrer für Diakonie und Vorstandsvorsitzender des Diakonischen Werks Pfalz.

INFOS:

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Der Kunstverein ist eine Plattform für alle Strömungen und Genres der Kunst, wobei der Schwerpunkt auf dem Werk zeitgenössischer Künstler/-innen liegt, die aus ganz Deutschland, aber auch aus dem Ausland kommen.

 

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