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Nicole Ahland

RAUMBEFRAGUNG

FOTOGRAFIE

Ausstellung vom 24.Juli –18.September 2022

 Abbildungen: © Nicole Ahland und VG Bild-Kunst, Bonn 2022

Am Ende nur Licht.

Meine künstlerische Arbeit besteht im Erfassen von Räumen. Mittels analoger Fotografie lege ich seit zwei Jahrzehnten ein Archiv von Innenräumen an. So habe ich mich mit historischen, sakralen, politischen und museale Räumen, Schlössern, Gutshäusern, Gaststätten, Krankenhäusern, Bibliotheken, Lagern, Dachböden und Kellern beschäftigt. Mein Augenmerk gilt hierbei Räumen und Orten, die eine kulturelle Geschichte

erzählen, Räume die sich im Umbruch befinden. Die Suche nach Räumen hat mich dabei bislang quer durch Europa geführt.

Am Raum selbst ist für mich seine existenz- und wahrnehmungsbestimmende (konstitutive) Funktion interessant. Immanuel Kant betonte diese erfahrungskonstitutive Bedeutung des Raumes – bekanntlich ist es bei Kant eine Form der Anschauung und damit Bedingung der Möglichkeit von Erfahrung. Was bei Kant transzendental gedacht ist, ist phänomenal und existentiell überall zu erfahren: Die realen Räume, in denen sich das Leben der Menschen abspielt, sind konstitutiv für das Sein der Menschen, die in diesen Räumen leben. Menschen gestalten ihre Räume, um sich in ihnen wohl zu fühlen, sie nutzen Räume, um ihren Ideen Ausdruck zu geben, sie richten Räume funktional, beeindruckend, manipulativ, etc. ein. Von daher geben Räume als Spuren des

menschlichen Daseins Kunde von der Art des Menschen, in der Welt zu sein und seine Welt zu gestalten.

Licht spielt in der Fotografie als physikalische Komponente eine tragende Rolle. Dabei versuche ich, Licht als das Medium der Sichtbarkeit selbst mit dem Gegenpol, der Dunkelheit, sichtbar werden zu lassen. Diese Polarität beschäftigt mich. Und natürlich ist Dunkelheit physikalisch gesehen nur ein Fehlen von reflektiertem Licht, aber in der menschlichen Wahrnehmung doch viel mehr als das: Mit Dunkelheit ist ein ambivalenter Reiz verbunden, einerseits fasziniert Dunkelheit und zieht an, andererseits aber ängstigt sie und schreckt ab. Die Innenräume, die ich fotografiere, sind gleichsam die Bühne, auf der das Wider- und Zusammenspiel von Licht und Dunkelheit, von Innen und Außen, von Nähe und Distanz, von Sagbarem und Geheimnis, von Leben und Tod inszeniert ist.

Nicole Ahland 10/2019

Ausstellungsrundgang

Fotografie@Dirk Uebele

Nicole Ahlands Kamera blickt in Räume und gleichzeitig auf Menschen. Für die Wiesbadener Fotokünstlerin ist beides untrennbar miteinander verbunden. Ihre „Raumbefragung“ präsentiert sie ab Sonntag mit 42 Arbeiten in den Räumen des Speyerer Kunstvereins.

Seit zwei Jahrzehnten bleibt Ahland Raum und Licht mit ihrer analogen Kamera auf der Spur. Wo und in welchem Zustand sich ihre Motive befinden, bleibt dem Betrachter verborgen. Hier beginnt die Auseinandersetzung von außen. Ist der Raum fiktiv, ist er real, groß oder klein, behaglich, furchteinflößend? Interpretationen sind vielfältig und gewollt.

Speyer ist für die Fotokünstlerin ein schöner Ort. Hierher hat der 2014 verstorbene Kunsthistoriker und langjährige Leiter der Städtischen Galerie Clemens Jöckle sie unmittelbar nach ihrem Studienabschluss der Freien Kunst an der Akademie für Bildende Künste der Uni Mainz geholt. „Das war eine Auszeichnung, die mir sehr geholfen hat“, sagt Ahland. Jöckle habe ihren Werdegang Zeit seines Lebens begleitet.

Dass sie sich auch akademisch mit Kunst auseinandergesetzt hat, begründet Ahland mit familiärer „Vorbelastet. Der Vater Maler, Angehöriger, Künstler, „da ist der Weg zum Kunststudium nicht weit“. Dennoch hat sie zunächst „etwas Ordentliches“ gelernt und ihre Ausbildung zur Augenoptikerin abgeschlossen. Sich in optischer Physik auszukennen, sei für analoge Fotokunst durchaus praktisch, ist Ahland überzeugt.

Ihre Arbeiten belegen das eindrucksvoll. In ihren Raumbildern speichert sie so viel Licht, wie es zur vollendeten Verschmelzung von Licht und Raum bedarf. Ahland verleiht Licht Substanz, die das Sehen umgibt. Auf diese Weise entstandene Kompositionen richten den Blick des Betrachters auf neu definierte Innenansichten seines Seins im Raum. Allein analoger Fotografie gelinge spür- und ahnbare Verschmelzung, betont die Künstlerin.

ELLEN KORELIUS BRUDER in der „RHEINPFALZ“ vom 22. Juli 2022