#385
Eine Hallenser Künstlerfamilie
4 x GÖTZE
in Zusammenarbeit mit der Städtischen Galerie
Ausstellung vom 28.09.-18.11.2018
Künstlerkarrieren im Familienverbund sind in der Kunstgeschichte ein heikles Thema. Das betrifft vor allem die bei diesem zehrenden Kräftespiel oft benach- teiligten Mütter, Ehefrauen und Partnerinnen. Was sich schon bei kreativen Paaren als ein Funken schlagender Balanceakt zwischen Abwaschen und Ästhetik erweist, funktioniert im Generationenkontext einer Künstlerfamilie noch seltener — friedliche Koexistenz divergierender Programme, eigene Wege trotz häuslicher Bindung, kleinkollektive Fairness statt Übersteigertem Ego-Trip. Das Modell der Hallenser Künstlerfamilie Götze, bestehend aus dem Maler Wasja Götze (*1941 in Altmögeln), der Textilkünstlerin lnge Götze (*1939 in Wangerin / Pommern), dem Maler Moritz Götze (*1964 in Halle / S.) und der Keramikkünstlerin Grita Götze (1959 in Schlema), kann dabei als Ausnahmefall gelten.
(Dr. Paul Kaiser, Dresden, 2018)
Wasja, Grita, Inge und Moritz Götze in Halle
Wasja Götze: Von einem der auszog ODER Der Traum von der Schwedischen Trainingsjacke, 1988
Wasja Götze (*1941 Altmügeln / Sachsen)
Grenzgänger der DDR-Kunstgeschichte
Sein Engagement als Maler, Dichter, Grafiker und Liedermacher — aber auch als Radrennfahrer — richtete sich gegen jede Form von staatlicher Engstirnigkeit. Das restriktive System der DDR sah darin eine subversive l\/|acht und reagierte mit Ablehnung, Verbot und der Androhung von Ausweisung. Schon die erste Einzelausstellung Wasja Götzes 1976 in Halle wird auf staatlichen Druck hin abgebrochen, weitere Ausstellungstätigkeit wird ihm untersagt. Doch der Künstler agiert als Dichter und Musiker als Grafiker und l\/Ialer mit seinen Werken gegen die Unterdrückung durch das Regime. Trotz der Überwachung behauptet Wasja Götze nicht nur als Künstler den Raum seiner Selbstbestimmung, wenn er als Wandermusiker auf Tour geht oder zu Radrallyes rund um den Petersberg einlädt — Akte des Ungehorsams gegen staatliche Autorität.
Inge Götze: Steilufer Ahrenshoop, 1978 Aquarell
lnge Götze (*1939 Wagerin / Hinterpommern) Dozentin und unabhängige Künstlerin
Wir haben uns in den letzten Jahrzehnten auch immer breit bewegt, also nur nicht so schmal zu sein, sondern dass eine gestalterische Qualität und Kraft in jedem Studenten ausgebildet wird. Vor allen Dingen, dass er zu sich und zu der eigenen Formvorstellung oder zu den eigenen Möglichkeiten findet und diese erkennt und damit auch wuchert, denn je selbständiger, originärer, origineller einer ist, um so eher kann er eine Aufgabe finden. Nicht was alle machen ist immer gefordert, sondern eben was Besonderes, Einzigartiges.
(Inge Götze, 2005)
Die Forderung nach der Entwicklung einer Gestaltungsform, deren künstlerische Originalität und bildnerische Selbstständigkeit sich in einer fundierten Ausbildung begründet, bestimmt die Grundhaltung Inge Götzes, als Studentin wie als Dozentin. So ist ihr Experimentieren mit Form und Farbe geprägt von der Balance des Tradierten und den daraus resultierenden Möglichkeiten der Erneuerungen.
Moritz Götze: Novalis, 2915 Emailbogen
Moritz Götze (*1964 Halle / Saale) Deutscher Pop
Als Deutschen Pop bezeichnet Moritz Götze selbst seine Werke. In seinen Gemälden, Papierarbeiten, Grafiken und Siebdrucken, Emaillen, Mosaiken und Skulpturen setzt er sich ironisch kritisch mit unserer Lebenswelt auseinander. Immer wieder sucht Moritz Götze auch den Dialog mit der Geschichte und bedeutenden Vorbildern der Malerei, die er mit seiner typischen Bildsprache umformuliert, aktualisiert und hinterfragt.
Immer wieder beschäftigt sich Moritz Götze mit bedeutenden Vertretern der Kulturgeschichte. Dabei gelingt ihm in seiner typischen Bildsprache eine bildnerisch-gestalterische Veränderung, die die tradierten Inhalte mit ihren Intentionen nicht aufhebt, sondern sie optisch aktualisiert. Novalis (1772 — 1801), der Begründer der deutschen Romantik, ist umgeben von Zeichen, die sein Leben visualisieren: das Geburtshaus des Dichters, Schloss Oberwiederstedt, und das Haus in Weißenfels, in dem er verstarb — das Porträt der Sophie von Kühn (I782 — I797), seiner früh verstorbenen Verlobten, der er in zahlreichen Werken ein Andenken setzte, sowie der „Julie von Charpentier (I778 — 1811) — die Saline und der Bergmannshut, die auf seine Tätigkeit als Mitglied des Salinendirektoriums in Weißenfels und bei der Erschließung der Braunkohlelagerstätten seiner Heimat verweisen — schließlich das Buch, das Zeichen seines Dichtertums.
Grita Götze: Steinigerstrand, 2013 Engobemalerei
Grita Götze (1959) Botin überbordender Lebensfreude
Zurückgezogen und trotzdem mit hellwachen Sinnen arbeitet die Künstlerin seit ihrem Diplom an der Burg Giebichenstein, abgelegt 1985 mit einer Wandgestaltung im Bitterfelder Steinzugwerk, abseits von der Hektik künstlerischer Betriebsamkeit. Weder in der DDR noch im wiedervereinten Deutschland verlor sich dieser unbeirrbare Impuls einer ungewöhnlichen Selbstfindung. Das Ergebnis ist imposant — eine Hymne an die Naturschönheit. Grita Götze erweist sich mit ihren Tellern und den bis zu 60 Zentimeter hohen Vasen, die sie mit floralen Dekoren ihrer keramischen Malerei bedeckt, als eine emphatische Botin überbordender Lebensfreude.
(Dr. Paul Kaiser, Dresden, 2018)
Ausstellungseröffnung am 28.09.2018
Ausstellungsrundgang